"Schulhöfe sollten zu Bewegung einladen"

Interview Frau Dr. Thurn, IKPS (Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung)

Dr. Julia Thurn vom Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung (IKPS) berät Städte und Gemeinden bei Sportentwicklungsplanungen. Es geht um Angebote im öffentlichen Raum, Sportanlagen und Schulhöfe. Thurn ist Referentin bei der Tagung der Initiative Sicherheit und Gesundheit im und durch Schulsport (SuGiS) am 20./21. März 2023 in Dresden.

Frau Dr. Thurn, welche Themen sollten Planerinnen und Planer berücksichtigen, wenn sie einen Schulhof gestalten möchten?

Thurn: Bei der Schulhofgestaltung sollten die Interessen der Gruppen, die ihn nutzen wollen, berücksichtigt werden: jüngere und ältere Schüler, vielleicht auch Erwachsene, abhängig davon, ob die Fläche auch für die Allgemeinheit geöffnet ist. Grundsätzlich sollten aber folgende Motive auf jeden Fall bedacht werden:

  • sich bewegen, spielen;
  • sich ausruhen, miteinander reden;
  • essen und Pause machen;
  • Natur und Grünflächen.

Heute ist eine Pause ohne Handy kaum noch vorstellbar. Wie haben sich die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen verändert?

Thurn: Eine markante Entwicklung ist der Verlust der Straßenkindheit. Früher konnten Kinder einfach hinaus auf die Straße gehen, Ball spielen, Freunde ohne Verabredung treffen. Das ist heute oft nicht mehr möglich, Straßen sind zu gefährlich, viele Eltern möchten es nicht. Das verändert auch die Bedeutung von Schulhöfen. Sie sind oft wohnortnah und sollten deshalb offen sein und zu Bewegung einladen. Wünschenswert ist auch eine naturnahe Gestaltung, dadurch können Schulhöfe zu Räumen werden, die alle Sinne ansprechen.

Warum ist es so wichtig, Kindern und Jugendlichen ein Bewegungsangebot zu machen?

Thurn: Studien zeigen, dass sich ein Großteil der Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend bewegen. Die WHO empfiehlt 60 bis 90 Minuten Bewegung am Tag, damit ist gar nicht nur Sport gemeint, sondern zum Beispiel der Gang zur Schule oder aktives Spiel. Aber dieses Bewegungslevel erreicht nur noch etwa ein Viertel in dieser Gruppe. Bei den Jüngeren ist der Prozentsatz höher, aber er nimmt kontinuierlich mit dem Alter ab. Wir brauchen deshalb Orte, die zu Bewegung einladen.

Wie sehen denn die Schulhöfe in Deutschland aus?

Thurn: Bei unseren Projekten mit Städten und Gemeinden sehen wir immer noch viele Betonwüsten. Andererseits finden wir auch sehr gute, anregende Beispiele. Zum Beispiel in Hamburg Lurup. Hier wurde ein Schulhof gestaltet, der von zwei Schulen, einem Sportverein und der Bevölkerung gemeinsam genutzt wird.

Welche Elemente sollte ein bewegungsfreundlicher Schulhof haben?

Thurn: Er sollte verschiedene Räume anbieten: für Bewegung, Spiel (gerade in der Grundschule), Naturerfahrung, Entspannung, für Begegnungen und Austausch, für Unterricht im Freien. Für die Gestaltungsprinzipien heißt das: Die Fläche sollte strukturiert und begrünt sein, ihre Aufteilung sollte leicht veränderbar sein und sie sollte an das Fuß- und Radwegenetz angeschlossen sein. Die Spiel- und Bewegungs-Elemente müssen gar nicht teuer sein, das Konzept muss zu der jeweiligen Schule passen.

Wie gehen Sie bei einer Beratung für eine Neugestaltung vor?

Thurn: Erst mal machen wir eine Bestandsaufnahme. Was machen die Kinder dort? Was funktioniert gut, wo gibt es Probleme? Dann werden die Bedarfe der Schule analysiert. Das kann zum Beispiel in einem Schulprojekt geschehen. Dann gibt es einen Beteiligungsprozess mit Workshops unter der Überschrift: Was wünschen wir uns und welche Bedarfe gibt es? Auf dieser Basis erstellen wir einen Masterplan. Je nach Finanzierungslage wird dieser meistens nicht komplett oder sukzessive umgesetzt. Aber das macht nichts, Hauptsache man fängt an.

Berücksichtigen Sie bei Ihren Empfehlungen auch Sicherheitsaspekte?

Thurn: Ja, dafür gibt es ein gut ausgearbeitetes Regelwerk. Im Rahmen dieses Regelwerks müssen Kinder sich ausprobieren und lernen können, Risiken abzuschätzen. Eine gute Struktur hilft, Unfällen vorzubeugen, denn langweilige Schulhöfe steigern den Frust und laden eher zu Raufereien ein.